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Vergleiche die beiden Romananfänge von Effi Briest und Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge unter inhaltlichen, sprachlichen und formalen Aspekten miteinander!

M.G.

Im Folgenden werden der Romananfang von Theodor Fontanes „Effi Briest“, veröffentlicht 1894/95 und der Romananfang von R. M. Rilkes „ Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge“, veröffentlicht 1910, im Bezug auf Inhalt, Form und Sprache miteinander verglichen.

In Fontanes „Effi Briest“ geht es inhaltlich in den ersten 23 Zeilen um die Beschreibung des Ortes. Der Leser erhält eine detaillierte Beschreibung vom „Herrenhaus […] zu Hohen-Cremmen“ (Z. 3) und dem dazugehörigen Garten (vgl. Z. 5). So gibt es neben einem „Teich […] mit Wassersteg und angeketteltem Boot“ (Z. 18) auch eine Schaukel (vgl. Z. 19). Der Leser erhält einen Eindruck von der Natur, die das Haus umgibt. Außerdem wird „die mittagsstille Dorfstraße“ (Z. 3) erwähnt.

Ganz gegensätzlich dazu ist der Inhalt der ersten 14 Zeilen von Rilkes Roman. Der Erzähler hält sich in einem Raum mit geöffnetem Fenster auf (vgl. Z. 1ff.). Der Roman beginnt nicht am Mittag, sondern in der Nacht, denn der Erzähler spricht davon „bei offenem Fenster […] schlafen“ (Z. 1) zu wollen. Es scheint wenig idyllisch, denn inhaltlich wird das laute Leben draußen vor dem Fenster beschrieben. So fahre eine Straßenbahn (vgl. Z. 2) und ein Mädchen kreische (vgl. Z. 9). Es sind noch andere Personen bzw. Personen und Vorgänge allgemein beschrieben, wohin gegen bei „Effi Briest“ nur der Ort beschrieben wird. Durch die Beschreibung der vielen Eindrücke des Erzählers in „Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge“ entsteht außerdem kontrastär zu „Effi Briest“ eine Hektik. Alles scheint schnell zu verlaufen, es ist nicht idyllisch und ruhig. Des Weiteren ist auch zu ergänzen, dass „Effi Briest“ zunächst in „Hohen-Cremmen“ (z. 2) spielt, was ein kleines Dorf ist. Der Erzähler in Rilkes Roman ist in der Stadt, was man an der Geräuschkulisse erkennen kann.

Auch im Bezug auf Form und Sprache unterscheiden sich die beiden Romanfänge. Ganz generell handelt es sich bei Effi Briest um einen auktorialen Erzähler, der zunächst nur den Garten beschreibt. Bei Rilke wird bereits im ersten Satz an dem Pronomen „ich“ (Z. 1) deutlich, dass es sich um einen Ich-Erzähler handelt. Die Sätze in „Effi Briest“ sind hypotaktisch (vgl. Z. 1ff.) wohin gegen die Sätze in Rilkes Roman parataktisch im Montagestil aneinander gereiht sind (vgl. Z. 5ff.). Aufgrund der Hypotaxen kann man in „Effi Briest“ sehr viele Adjektive wie „breit“ (Z. 6), „klein“ (Z. 12) oder „halb“ (Z. 22) erkennen, die der bereits erwähnten detaillierten Beschreibung dienen. Sprachlich lassen sich in „Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge“ sehr viele Personifikationen finden. So renne die Elektrische, Splitter würden kichern und große Scherben würden lachen (vgl. Z. 5, 10). Zudem sind sehr viele Bewegungsverben vorzufinden. „Kommen“ (Z. 8), „rennen“ (Z. 10), „laufen“ (Z. 11) und weitere gehören zu diesen Verben. Das deutet auf eine Schnelllebigkeit und Anonymität hin. Dinge passieren sehr schnell und Zeit vergeht. In „Effi Briest“ arbeitet Fontane mit sehr vielen Symbolen wie der „Schaukel“ (Z. 19), die metaphorisch für die Freiheit steht und mit dem „Rondell“ (Z.). Dieses „Rondell“ (ebd.) wird allerdings erst im Laufe des Romans zu einem zentralen Element. Der Romananfang ist in der Zeitdeckung geschrieben, denn die Betrachtung und Beschreibung des Ortes kann etwa so lange dauern, wie hier beschrieben. Die erzählte Zeit entspricht also etwa der Erzählzeit. In Rilkes Roman handelt es sich um Zeitraffung, denn der Erzähler beschreibt eine ganze Nacht in 14 Zeilen. Die erzählte Zeit ist also größer als die Erzählzeit.

Zusammenfassend wird deutlich, dass der Romananfang von „Effi Briest“ und der Romanfang von „Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge“ ziemlich unterschiedlich sind. Die Satzstruktur unterscheidet sich zwischen Hypotaxen (Fontane) und Parataxen (Rilke). Des Weiteren unterscheidet sich die Erzählperspektive und die Zeit. Generell unterscheiden sich die Texte auch inhaltlich sehr stark, denn bei „Effi Briest“ wird der idyllische Garten mit seiner Ordnung beschrieben und in Rilkes Roman geht es um die Anonymität und Schnelllebigkeit des Stadtlebens.