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Analyse des Sachtextes Zur Darstellung der Vater-Tochter-Beziehung
Simon
Der vorliegende Sachtext „Zur Darstellung der Vater-Tochter-Beziehung" von Heinz Politzer, welcher 1977 veröffentlicht wurde und somit in die literarische Epoche der Moderne einzuordnen ist, thematisiert die Besonderheit der Vater-Tochter-Beziehung in der Novelle "Die Marquise von O..", geschrieben von Heinrich von Kleist.
Bei dem Text handelt es sich um einen Sachtext, der Bezug auf die Novelle „Die Marquise von O.“ nimmt. Der Autor, namentlich Heinz Politzer, zitiert dabei aus einer charakteristischen Textstelle und äußert seine Interpretationen zum jeweiligen Themenbereich, hier die Vater-Tochter-Beziehung zu dem Zeitpunkt, wo sich die Marquise wieder mit ihrem Vater versöhnt, nachdem sie von selbigem verstoßen wurde. Zu Beginn des Sachtextes nimmt der Autor Bezug auf eine Textstelle der Novelle „Die Marquise von O.“ und legt an dieser die dargestellte Vater-Tochter-Beziehung aus. Genauer gesagt handelt es sich dabei um den Textauszug, der sich von Zeile 658 bis Zeile 669 erstreckt. Zu diesem Zeitpunkt der Geschichte haben sich der Vater Lorenzo und seine Tochter, die Marquise von O., sich wieder versöhnt und treffen aufeinander. Politzer beschreibt ihr Verhältnis „inzestuöse Beziehung“ (Z. 3). Inzestuös als Adjektiv meint dabei eine sexuelle Beziehung in der eigenen Familie, was Kleist in der Textstelle andeutet, aber nicht ausspricht. Im ganzen Text ist nie von Sex zwischen beiden Figuren die Rede, wohl aber ein Verhältnis, was über ein normales Verhältnis zwischen einem Vater und seiner Tochter herausgeht. Politzer unterstützt seine Meinung durch die Verwendung von Nomen wie „Schamlosigkeit“ (Z. 6) und unter anderem „Peinlichkeit“ (Z. 7). Die Verwendung dieser Nomina stärkt Politzer in seiner Position und unterstützen gleichzeitig den Eindruck, welchen Politzer durch seinen Text vermitteln möchte: Die Brisanz der Unterhaltung einer „Beziehung“ innerhalb der eigenen Familie, gerade unter derartige Umständen, wie sie auch bei der Marquise von O. vorzufinden sind. Schließlich wurde sie zuvor von ihrem Vater quasi vom Hof gejagt, gesellschaftlich bloßgestellt, weil sie den Verlust des familiären Rückhaltes zu beklagen hatte, welcher in ihrer Situation der Schwangerschaft gepaart mit der offenen Frage, wer den der Vater des Kindes sei, sicher nicht von Nachteil gewesen wäre.
Danach lenkt Politzer auf die sprachliche Gestaltung des Textes. Unter Verwendung eines Gedankenstrichs verschweigt Kleist das Zustandekommen der Situation, nämlich das eine „Umarmung“ (Z.19) zwischen der Marquise und dem Kommandanten -ihrem Vater- stattfindet. Zudem verwende Kleist laut Politzer eine bis „ins Maßlose“ übersteigerte Sprache, gerade um die Situation besonders für den Leser hervorzuheben und ihm zum Nachdenken darüber zu bewegen. Grundsätzlich ist „Die Marquise von O.“ nicht in der am leichtesten verständlichen Sprache verfasst, aber gerade in dieser Textstelle fällt die Umschreibung der tatsächlichen Umstände besonders im Auge, auch weil nicht komplett klar wird, was zwischen der Marquise und ihrem Vater geschieht, sondern Kleist durch seine Umschreibungen sowie die Verwendung des Gedankenstrichs dem Leser einen große Interpretationsspielraum gewährt.
Der angesprochene Gedankenstrich ist dabei besonders hervorzuheben: Kleist scheint ihn vor allem an wichtigen Stellen der Handlung zu benutzen, wo die Handlung eine neue Wendung erfährt. So findet man ihn auch zu Beginn des Textes wieder, wo Kleist die stattfindende Vergewaltigung unausgesprochen lässt und stattdessen in einem weiteren Gedankenstrich verschweigt.
Trotzdem stehen beide Situationen laut Politzer in Kontrast zueinander: Schließlich verschweigt Kleist zu Beginn sämtliche Beschreibungen der Vergewaltigung, wohingegen er bei der Versöhnung „Detail an erotisches Detail“ (Z.23) anfügt. Er gibt dem Leser einen leichteren Einblick in die Handlung und verhindert, dass man etwas Falsches in die Textstelle hineininterpretiert.
Politzer weist der Textstelle zudem eine „axiale Bedeutung“ (Z.33) zu. Schließlich findet hier die „ “Versöhnung“ “ (ebd.) zwischen zwei der Wichtigsten handelnden Figuren statt, welche der Geschichte die Wendung verleiht, die sie bis zum Ende der Novelle beibehält. Die Marquise wird ja wieder begnadigt und in die Familie aufgenommen. Sie verbindet laut Politzer schließlich den Beginn der Novelle, mit dem Verstoß, der öffentlich gemachten Schwangerschaft und der Suche nach dem leiblichen Vater mit dem Zusammenkommen der Familie, der Geburt des weiteren Sohnes und den letztendlichen und dem Klarstellen der Vaterfrage.
Auffällig ist hier allerdings die Verwendung der Anführungszeichen. Politzer übt hier durch deren Verwendung einen weiteren Einfluss auf den Leser aus: Er stellt die Situation aufgrund der gegebenen sexuellen Umstände ironisch als Versöhnung dar, um die Ungeheuerlichkeit des Umstandes, dass der Vater mit seiner Tochter nach deren Heimkehr verkehrt, besonders hervorzuheben.
MGeller
Der Text „Zur Darstellung der Vater-Tochter-Beziehung“ von Wolfgang Pütz verfasst über die Texte „Der Fall der Frau Marquise. Beobachtungen zu Kleists << Die Marquise von O…<<“ von Heinz Politzer veröffentlicht in „Deutsche Vierteljahresschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte 51“ handelt von der Deutung der liebesähnlichen Beziehung zwischen Vater und Tochter.
Der Text lässt sich in vier Abschnitte unterteilen. Im ersten Abschnitt (Z. 1-13) erläutert Wolfgang Pütz die Meinung Heinz Politzers zur Darstellung der Beziehung zwischen der Marquise und ihrem Vater. Es liege nicht nur eine elterliche Beziehung vor, sondern „eine[…] inzestuöse[…] Beziehung“ (Z. 3). Der Vater sehe in der Tochter also mehr als nur seine Tochter. Diese neuartige, vorbildlose Erscheinung (vgl. Z. 6f.) komme durch die „sprachlich unerhörte Erzählung“ (Z. 4) zum Ausdruck. Nicht nur die Beschreibung bzw. Nennung eines solchen Ereignisses ist also „unerhört“ (Z. 3, 4), sondern auch die sprachliche Beschreibung bzw. Gestaltung der Erzählung ist unmöglich. Durch die Handlung der Marquise gerate der Dichter ins Stocken, weshalb jene ihn vor einem ziehen in Lächerliche bewahre (vgl. Z.7). Die Hingerissenheit des Vaters zur Tochter wird auch deutlich, wenn der Autor ,,den Dativ mit dem Akkusativ“ (Z. 12f.) ersetzt. Die Besonderheit der Situation wird durch eine gezielte Verwendung eines anderen Kasus deutlich gemacht.
Im zweiten Absatz (Z. 13-28) befasst sich Wolfgang Pütz mit der Verschweigung bzw. Umschreibung wichtiger Aspekte in einem Gedankenstrich. Mit diesem Text bestätige sich die Bezeichnung Kleists als „ , großen Manieristen´“ (Z. 16) mit dem Ludwig Tieck in betitelt hatte. Es sei „bezeichnend, dass [Kleist] […] die Umarmung […] in einem Gedankenstrich verschweigt“ (Z. 19ff.) Hinter dieser Umarmung steckt aber weitaus mehr. Es sei eine „Vereinigung des Vaters mit der Tochter“ (Z. 21f.). Diese „Vereinigung“ (ebd.) kann man sowohl körperlich, als auch räumlich sehen. Körperlich, da die Marquise auf dem Schoß ihres Vaters sitzt und räumlich, da sie aufgrund der Verzeihung mit ihren Kindern wieder zurück zu den Eltern zieht. Den Gedankenstrich betitelt Pütz hierbei als „Zensur“ (Z. 24). Die Verhaltensweisen werden dazu mit einer Personifikation benannt. Die Gefühlslage des Vaters „bricht hier mit nackter Leidenschaftlichkeit aus“ (Z. 24f.). Diese „Leidenschaft“ (ebd.) werde aber als Normalität gezeigt, „als wäre sie standesgemäß und gesellschaftsfähig“ (Z. 28). Diese eigentlich merkwürdige Verhaltensweise des Vaters gegenüber seiner Tochter ist dementsprechend vollkommen normal und nicht merkwürdig. Der Vater erlaubt sich das.
Der dritte Abschnitt (Z. 29-35) befasst sich mit der Marquise und ihren Gefühlen in der Lage. Auch die Marquise fühlt sich „in den Armen des Vaters“ (Z. 29f.) wohl, denn sie bekomme, was sie normalerweise nicht bekommen könne. „Hingabe, Bewusstsein und Genuss“ (Z. 31) seien die Gefühle, die die Marquise in dieser Szene beflügeln. Ihr Mann war bereits gestorben und somit gab es Situationen wie diese nicht mehr. Diese Gefühle oder auch Verlangen sorgen dafür, dass die Marquise als Frau erkannt werde (vgl. Z. 32). Durch die Offenbarung ihrer Gefühle sorgt die Marquise eigentlich für die „ ,Versöhnung' “ (Z. 33) zwischen ihrem Vater und sich. Diese „ ,Versöhnung' “ (ebd.) gibt die weitere Richtung in ihrem Leben an. Sie ist schwanger, was zunächst auf wenig Begeisterung trifft (vgl. Z. 34), und sorgt nun aber für eine Lösung ihrer Situation (vgl. Z. 35). Die eigentliche Abhängigkeit zu den Eltern tritt nun wieder in Kraft.
Im letzten Abschnitt (Z. 36-45) thematisiert Pütz das Verhalten des Vaters genau. Er ist der autoritäre Vater (vgl. Z. 39), der den Mann, der seine Tochter geschwängert hat, nun ausgespielt hat, da die Tochter auch zu ihm ihre Gefühle zeigt. So kann er auch weiterhin bestehen, als der Graf auftaucht und sich als Vater des Ungeborenen entpuppt (vgl. Z. 40ff.).
Zusammenfassend kann man sagen, dass der Vater eine sehr enge Beziehung zur Tochter aufbaut, damit diese ihn auch nach dem Auftauchen des Vaters ihres Kindes nicht verlässt. Er demonstriert mit dieser Szene seine Macht.
Fabian
Der vorliegende Sachtext „Zur Darstellung der Vater-Tochter-Beziehung“, von Wolfgang Pütz verfasst und zu einem unbekannten Datum veröffentlicht, thematisiert die Vorgehensweise Kleists bei der Darstellung in seiner Novelle „Die Marquise von O…“ aus dem Jahr 1808.
Zu Beginn des Textes erläutert Pütz die Meinung Heinz Politzers, eines Schriftstellers, auf welchen er sich bezieht und welchen er im Folgenden zitiert. Dieser meint, dass bei der Beziehung zwischen der Marquise und ihrem Vater „der Fall einer inzestuösen Beziehung vor[liege]“ (Z. 2f.), welche „unerhör[t]“ (Z. 4) sei, weil es auch damals schon verwerflich gewesen ist, eine so intime Beziehung zu seiner Tochter zu pflegen.
Besonders deutlich wird das in der Szene der Versöhnung zwischen Vater und Tochter, in welcher die „Schamlosigkeit“ (Z.8) deutlich wird, die Kleist wohl beim Schreiben gehabt haben muss. Diese sei „ohne Vorbild“ (Z.6) und auch „in seinem Werk ohne ihresgleichen“ (Z. 7). Somit verdeutlicht Politzer, wie unüblich die Darstellung solcher Szenen gewesen ist und dass auch Kleist selbst nur einmal so etwas verschriftlicht hat. Indem Politzer jene Schamlosigkeit aber als „subli[m]“ (ebd.) bezeichnet, macht er deutlich, dass diese nur schwer wahrzunehmen sei, also durch den Sprachgebrach und die Vorgehensweise Kleists bei der Darstellung dieser Szene gut versteckt worden ist, sodass er sie „[v]or aller Peinlichkeit“ (Z.7f.) bewahrt habe. Dazu trage der „fiebernde Atem“ (Z. 8) bei, was metaphorisch für die erzeugte Spannung, durch die Vorgehensweise Kleists erzeugt, stehen kann, welche die Leser die Details und somit auch die Direktheit Kleists übersehen lassen könne (vgl. Z. 10).
Zudem verwende er „ins Maßlose übersteigert[e] Sprache“ (Z. 13f.) um die Szene zu „instrumentier[en]“ (Z. 15), was eine Metapher dafür ist, dass er, wie in einem Orchester, die verschiedenen Komponenten so aufeinander abstimmt, dass daraus diese Szene entsteht. Dadurch könnte Politzer auch ausdrücken, dass Kleist sein Werk so künstlerisch gestaltet wie ein Komponist. Sein Sprachgebrauch hebe sich über das chronikalischen Deutsch hinweg (vgl. Z. 16), was ihn „zum großen Manieristen“ (ebd.) mache, als den ihn Ludwig Tieck durchschaut habe. Somit sei Kleist eine Person gewesen, die sich durch einen eigenen Schreibstil von anderen absetzen wollte. So sei es beispielsweise typisch für ihn gewesen eine Umarmung in einem Gedankenstrich zu verschweigen (vgl. 19ff.), aber in diesem Moment „Detail an erotisches Detail [zu fügen]“ (Z. 23). Das ist eine von mehreren Antithesen die den Schreibstil Kleists in dieser Szene hervorhebt.
Eine weitere Antithese ist, dass das, was normalerweise von Zensur betroffen sei, in dieser Szene mit „nackter Leidenschaftlichkeit [ausbreche]“ (Z.25). Das Adjektiv „nack[t]“ (ebd.) ist hier eine Metapher für die Direktheit Kleists und dafür, dass er die Handlung nicht verschleiert. Das Verb „aus[brechen]“ (ebd.) verdeutlicht noch einmal wie außergewöhnlich Kleists Darstellung für die Zeit, aber auch für ihn selbst gewesen ist und dass sie somit nicht der Regel entspricht.
Doch Kleist spricht nicht nur solch verbotene Themen an, sondern formuliert sie auch noch äußerst detailliert, was Politzer durch die Verben „nach[zeichnen] und auseinander[legen]“ (Z. 27) ausdrückt. Dies sei mit „pastoser Drastik“ (ebd.) geschehen, wobei das Adjektiv „pasto[s]“ (ebd.) metaphorisch noch einmal die Genauigkeit und Ausführlichkeit bei der Beschreibung der Szene unterstreicht. Er behandle das Thema so, als „wäre [sie] standesgemäß und gesellschaftsfähig“ (Z. 28). Der Konjunktiv zeigt, dass das eben nicht der Fall gewesen ist.
Bei der Erwähnung des „Über-Ich[s]“ (Z. 29) bezieht sich Politzer auf Freud, der mit diesem Begriff die Sozialisationsinstanz des Menschen beschrieben hat, die für dessen Moral steht. Eben diese Instanz habe sie sich in den Armen des Vaters wohler fühlen lassen als in denen des Grafen. So habe sie bei ihrem Vater „Hingabe, Bewusstsein und Genuss“ (Z. 31) erfahren. In diesem Moment habe Kleist sie „als Frau erkannt und dargestellt“ (Z. 32).
Die Bedeutung der Textstelle für die Novelle macht Politzer deutlich, indem er diese als „axia[l]“ (Z. 33) bezeichnet, da sie „den unheilschwangeren Beginn mit der Lösung an ihrem Ausgang“ (Z. 34f.) verbinde.
Auch dem Vater tue die Versöhnung gut, da er „eine Art von Genugtuung“ (Z. 37) verspüre, da er „den Mann, der seine Tochter zu Fall gebracht hatte, in den Schatten seiner väterlichen Autorität gestellt [hat]“ (Z. 38f.). Die Metapher, dass der Graf sie zu Fall gebracht habe, verbildlicht, dass er ihr Leben und ihr Ansehen durch die Vergewaltigung negativ beeinflusst hat. Eben dadurch, dass die Marquise sich ihrem Vater anstatt dem Grafen zuwendet, erfährt der Vater das Gefühl der Genugtuung, da er den Vorzug erhält und er dadurch, metaphorisch zu verstehen, den Grafen „in den Schatten seiner väterlichen Autorität“ (ebd.) stellt, ihn sich also unterordnet.
Dadurch motiviert zeige der Vater „eine gewisse Generösität“ (Z. 40), was so viel wie Großzügigkeit bedeutet, als seine Tochter den Grafen wegschickt, nachdem er sich als Vater des Kindes erweist. Die Marquise habe sich „wie eine Besessene“ (Z. 43) aufgeführt, was als Vergleich dient und ihre Wut verdeutlichen soll und ihn „zur Hölle geschickt“ (Z. 44f.), was ihren Hass auf den Grafen in diesem Moment ausdrückt.
Zusammenfassend kann man sagen, dass Kleist sich durch diese Textstelle von anderen Autoren der Zeit und auch von sich selbst absetzt, da er ein solch brisantes Ereignis so detailliert beschreibt, wie es nicht üblich gewesen ist, da es normalerweise der Zensur unterlag. Er zeigte, dass er über einen einzigartigen Schreibstil verfügte und auch im Aufbau der Beschreibung und der Wortwahl Mittel nutzte, die nicht Jedem die Brisanz der Szene offenbaren. Zudem wird angesprochen, dass die Marquise sich bei ihrem Vater wesentlich wohler gefühlt hat als beim Grafen, was diese Szene eben verdeutlicht.