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Ist Woyzeck ein klassisches Drama?
Simon
Im Folgenden werde ich untersuchen, ob das Drama „Woyzeck“, geschrieben von Georg Büchner und 1879 veröffentlicht, auch als klassisches Drama klassifiziert werden darf.
Um als klassisches Drama eingestuft werden zu können, müssen die Werke verschiedene Kriterien erfüllen. Beispielsweise muss der Aufbau dem eines klassischen Dramas entsprechen. Dieser ist in 5 Akte aufgeteilt und gestaltet sich wie folgt: Zunächst wird in dem ersten Akt, auch Exposition oder Einführung genannt, die Handlung in ihren Grundzügen angeschnitten und wesentliche Charaktere innerhalb des Werkes sowie der Handlungsort beschrieben. Außerdem wird ein sich drohender Konflikt, der sich im Laufe der Handlung als Höhe- oder Wendpunkt herausstellen wird, angedeutet.
In dem 2. Akt nimmt die Handlung dann fahrt auf und orientiert sich langsam zu einem Höhe- oder einem Wendepunkt hin. Dies äußert sich durch eine Entwicklung im Geschehen oder – Speziell im Drama- den Kontrollverlust der Hauptperson über das Geschehen. Der Wendepunkt, auch Peripetie genannt, markiert den Höhepunkt der Geschichte. Der Held und seine Handlung oder auch sein Glück ändert sich zum Negativen für ihn selber und die Kontrolle entgleitet ihm völlig.
Um das Werk nach dem Wendepunkt nicht zu schnell enden zu lassen, wird eine Verzögerung eingebaut, welcher die Spannung noch einmal erhöht, weil man sozusagen hingehalten und nicht genau weiß, wie es mit dem Helden weiter geht oder wie er nun handelt.
Die Bezeichnung des fünften und letzten Aktes lässt bereits auf einen negativen Ausgang schließen: Die Katastrophe bildet den finalen Teil des klassischen Dramas und löst den zuvor angefallenen Konflikt auf, und das auch ohne ein Happy End, beispielsweise mit dem Tod einer wichtigen Person oder gar der Hauptperson. Der Vorausgegangene Aufbau lässt sich nicht auf das Drama Woyzeck beziehen: Zwar passt der inhaltliche Aufbau der Handlung mit einem Höhepunkt und einer Katastrophe gegen Ende des Werkes auch zu Woyzeck, allerdings ist der Aufbau und die Textstruktur nicht so aufgebaut, wie das Kriterium des klassischen Gedichts dies vorschreibt. Die Aufteilung beschreibt nicht die einzelnen Akte wie in der Theorie des klassischen Dramas, sondern orientiert sich an den einzelnen Handlungsorten wie zum Beispiel dem „Wirtshaus“ (S.17) , „Mariens Kammer“ (S.21) oder der „Kaserne“ (S.22). Zudem passt die Zahl der Szenen sowie der Akte am oberen Seitenrand nicht zu der vorgegebenen Struktur, welche ein klassisches Drama ausmachen. Dieses Kriterium wird von „Woyzeck“ also nicht erfüllt.
Als zweites Kriterium für ein klassisches Drama wird die sogenannte Fallhöhe eines Charakters hinzugezogen. Diese bezieht sich auf den gesellschaftlichen Stand und beschreibt anschließend den Bedeutungsverlust dieses Charakters, beispielsweise einen Machtverlust bei dem zu vorigen Innehaben einer hohen Adeligen Position. Solch ein Handlungsverlauf ist typisch für ein klassisches Drama, da dieser Fall eine „hohe Fallhöhe“ besitzt.
Bei „Woyzeck“ geht es allerdings weder um die Reichsten der reichen, noch um irgendeinen Einflussreichen Politiker oder Machthabenden. Nahezu alle näher vorgestellten Personen mit Ausnahme des Tambourmajors befinden sich gesellschaftlich am Boden und leben in bitterer Armut. Das Marie am Ende von Woyzeck ermordet wird und Woyzeck als Mörder dasteht, ist im Bezug auf die Fallhöhe gesehen kein sehr tiefer fall, da sich Woyzeck bereits zuvor am Boden befand.
Somit trifft das Kriterium der hohen Fallhöhe im Fall „Woyzeck“ ebenfalls nicht zu. Es gibt zwar einen Fall, allerdings ist dieser nicht gravierend genug, um das Kriterium als zutreffend zu erachten.
Nun wird auf die Einheit von Zeit, Raum und Handlung Bezug genommen. Die Handlung darf nur an einem bestimmten Ort spielen und darf eine gewisse Ausdehnung nicht überschreiten. Ein Beispiel für eine gelungene Einheit von Handlung, Raum und Zeit ist zum Beispiel das Drama „Die Physiker“, geschrieben von Friedrich Dürrenmatt. Hier findet die Handlung nur in der Klinik statt und ist auf wenige Stunden begrenzt. In „Woyzeck“ findet die Handlung dagegen an verschiedenen Orten, wie bereits im ersten Kriterium deutlich wird. So arbeitet Woyzeck in der Kaserne, trifft sich mit dem Doktor in der Praxis, wohnt mit Marie zusammen in einer kleinen Kammer und wird in der Kneipe mit dem Mord an MAriekonfrontiert, da er blutverschmiert ist. Genaue Informationen über einen räumlichen Abstand zwischen diesen Handlungsorten gibt es nicht, es ist aber wahrscheinlich, das sie nicht alle so stark räumlich konzentriert sind, dass man von einer Einheit des Raumes sprechen könnte. Selbiges gilt für die Zeit. Immer wieder wird mit Zeitsprüngen gearbeitet, deren Dauer ungewiss ist. Die Handlung mit dem Kennenlernen von Marie und dem Tambourmajor, Woyzecks beginnender gesundheitlicher Probleme und seiner Psychose sowie die Schikane seines Hauptmannes werden sicherlich sehr zeitintensiv sein und andere Handlungen sowie eine gewisse Dauer benötigen, die in „Woyzeck“ nicht dargestellt werden. Die Einheit der Zeit ist damit ebenfalls nicht gewährleistet. Somit gilt auch das Kriterium der Einheit von Handlung, Raum und Zeit als nicht erfüllt.
Als viertes und letztes Kriterium nehme ich Bezug auf die Sprache. Ein klassisches Drama zeichnet sich durch eine gehobene Sprache sowie ein Reimschema und ein Metrum aus. Dieses Kriterium wird in dem Drama „Woyzeck“ zumindest teilweise erfüllt. An einzelnen Stellen kann man ein Metrum erkennen, das bei der Wortwahl berücksichtigt wird. Passt ein Wort nicht in das Metrum hinein oder würde es unregelmäßig wirken lassen, wird es je nach Möglichkeit so verändert, dass zum Beispiel einzelne Vokale ausgelassen werden und im Dialog „verschluckt“ werden, um keine zusätzliche Betonung auf diesen Vokal legen zu müssen. Ein Reimschema ist entgegen dessen nicht erkennbar. Es gibt keinen willkürlichen Zeilenbruch, der ein Reimschema begünstigen würde, und durch schieren Zufall der Worte am Ende einer Zeile ist ein temporäres oder gar permanentes Reimschema nahezu unmöglich zu finden, auch da es durch ein Textformat je nach Ausgabe verändert werden kann, da keine genauen Zeilenenden festgelegt sind. Einen Anteil gehobener Sprache lässt sich ebenfalls nicht ausmachen. „Woyzeck“ besteht quasi nur aus Dialogen zwischen Charakteren der sozialen Unterschicht, wo eine hochtrabende Sprachweise nicht zu erwarten ist und auch nicht stattfindet. Vielmehr wird auf einfache Hochsprache vermischt mit vereinzelten Einflüssen der Umgangssprache bei Ausrufen oder Schimpfwörtern zurückgegriffen.
Zusammenfassend kann man also sagen, dass das Drama „Woyzeck nicht annähernd die Kriterien erfüllt, um als klassisches Drama bezeichnet zu werden. Es hat einen anderen Aufbau und eine Andere Struktur, die Hauptperson vollzieht keinen riesigen gesellschaftlichen Niedergang, die Handlung ist nicht auf einen bestimmten Ort oder eine feste Zeitspanne beschränkt und sprachlich werden Voraussetzungen wie Metrum, Reimschema und gehobener Sprache nur in Ansätzen erfüllt. Aufgrund meiner erarbeiteten Ergebnisse bin ich persönlich ebenfalls der Meinung, dass man das Drama „Woyzeck“ nicht als klassisches Drama bezeichnen darf, das es die Anforderungen dazu nicht erfüllt.
Sophie
Das Drama "Woyzeck" ist von Georg Büchner geschrieben und 1879 veröffentlicht worden und thematisiert die Ungerechtigkeit der Ständegesellschaft im 19. Jahrhundert und der Not der unteren Schichten. Im Folgendem wird untersucht, ob das Drama zu den klassischen Dramen gehört. Anhand von fünf Kriterien kann beurteilt werden, ob ein Drama als klassisches Drama klassifizieren ist.
Eine Eigenschaft des klassischen Dramas ist, dass das Drama eine geschlossene Form besitzt, die durch die drei Einheiten "Raum", "Zeit" und "Handlung" entsteht. Diese Eigenschaft trifft jedoch nicht auf das Drama "Woyzeck" zu, da es in diesem Drama mehrere Handlungsorte, wie zum Beispiel "Freies Feld" (1. Szene) oder die "Wachtstube" (11. Szene). Zudem lässt die Handlung erkennen, dass sich diese über einen längeren Zeitraum, das heißt in diesem Fall, über mehrere Tage, erstreckt, was wiederum darauf hindeutet, dass "Woyzeck" kein klassisches Drama ist, da das Spiel dort nicht über einen Tag andauert.
Ein weiteres Kriterium für ein klassisches Drama ist der Aufbau. Ein klassisches Drama ist in fünf Akte aufgeteilt: Exposition, Erregendes Moment, Peripetie, Retardium und Katastrophe. Die Exposition leitet das Drama ein und bietet wichtige Informationen für das Verständnis. Der zweite Akt lässt die Handlung und Intrigen, die für ein Drama relevant sind, erkennen. Der Höhepunkt liegt im dritten Akt, also in der Peripetie. Anschließend wird im vierten Akt der Schluss noch ein wenig verzögert, bis es im fünften Akt zu einer Katastrophe kommt, bei der der Protagonist meistens verstirbt. Auch nach dem Kriterium des Aufbaus lässt sich "Woyzeck" nicht bei den klassischen Dramen einordnen. Denn in Woyzeck gibt es keine Akte, sondern Szenen. Typischerweise verstirbt im klassischen Drama der Held beziehungsweise der Protagonist. Jedoch ist es Marie, die in dem Drama "Woyzeck" stirbt (vgl. 20. Szene).
Weitere Eigenschaften eines klassischen Dramas sind die Fallhöhe und die Ständeklausel. Das bedeutet, dass der Protagonist meist ein hohes Ansehen hat und dieses dann beim Scheitern verliert. Zwar ist die Ständeklausel bei Woyzeck von Bedeutung, da er der unteren Schicht angehört und beispielsweise drei Jobs hat um zu Überleben (vgl. 1. Szene, 5. Szene, 11. Szene), jedoch ist die Fallhöhe von ihm nicht hoch beziehungsweise existiert nicht, da er generell schon zur untersten Schicht gehört und sein Ansehen dementsprechend nicht verlieren kann.